Bei der Regulierung eines Unfallschadens gibt es unterschiedliche
Abwicklungsformen betreffend der Erstattung von Mehrwertsteuer.
Bis zum 31.07.2002 wurden die Fahrzeugschäden nicht gewerblicher
Fahrzeugbesitzer stets einschließlich der Mehrwertsteuer ausbezahlt (Brutto).
Dies betraf sowohl den Reparatur- als auch Totalschaden.
Ab 01.08.2002 gilt die Neuregelung des Schadensersatzrechtes.
Im wesentlichen profitiert hierbei die Versicherungswirtschaft durch
Einsparungen bei der Schadensabwicklung.
Hierbei gab es wesentliche Veränderungen, die eine nähere Betrachtung
der Steueranteile erforderlich macht.
Insbesondere Totalschäden müssen seit der Novellierung differenziert
betrachtet werden.
Bei einem vorliegenden Totalschaden ist zu beachten, ob der
Fahrzeugwert "volle" Mehrwertsteuer enthält, einen
Mehrwertsteueranteil (Differenzsteuer) oder keine Mehrwerststeuer
(steuerneutral).
Hintergrund der Betrachtung ist folgender:
Neuere Gebrauchtfahrzeuge werden oft mit "ausgewiesener" Mehrwertsteuer verkauft.
Dies betrifft meist Fahrzeuge der Altersgruppe bis 3 oder 4 Jahre.
Bei diesen Fahrzeugen ist in dem Kaufpreis die volle Mehrwertsteuer enthalten,
da Fahrzeuge dieser Altersgruppe oft von Gewerbetreibenden an den Autohandel
zurückgegeben werden (z.B. Firmenfahrzeuge, Leasingfahrzeuge etc.).
Doch auch hier muss jeder Fahrzeugtyp für sich betrachtet werden.
Fahrzeuge, die älter sind, enthalten meist Differenzsteuer, oder keine
Mehrwertsteuer (steuerneutral).
Bei Fahrzeugen mit Differenzbesteuerung besteht folgender Hintergrund:
Fahrzeuge mit einem Alter von 3 und mehr Jahren kommen meist aus
Privatbesitz in den Gebrauchtwagenhandel.
Der Autohändler kauft das Fahrzeug also ohne Mehrwertsteuer an.
Bei Veräußerung dieses Fahrzeuges muss er dann nicht die
volle Mehrwertsteuer aus dem Kaufpreis an die Finanzbehörde
abführen, sondern nur die Mehrwertsteuer aus der erzielten
Gewinnspanne.
Die Rechsprechung hat
hier zur Vereinfachung einen durchschnittlichen Satz für die
Differenzsteuer festgelegt.
Bei dem ursprünglichen Mehrwertsteuersatz von 16% ging man von einem
Satz in Höhe von ca 2% aus dem gesamten Verkaufserlös des Gebrauchtwagens
aus.
Bei dem derzeitigen Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19% beträgt dieser
Satz ca. 2,3%.
Dieser Satz wurde ermittelt aus dem Mehrwertsteueranteil einer
geschätzten Handelsspanne.
Die geschätzte Brutto-Handelsspanne einschließlich
Mehrwertsteuer beträgt ca. 17%, ausgehend von einer
durchschnittlichen Handelsspanne zwischen 15 - 20% für
den Handel von Gebrauchtfahrzeugen.
Beispiel:
Fahrzeug Einkauf EUR 10.000,00
Fahrzeug Verkauf EUR 11.700,00
Handelsspanne brutto EUR 1.700,00
In der Brutto-Handelsspanne ist ein Mehrwertsteueranteil in Höhe von derzeit
19% enthalten.
Der Betrag von EUR 1.700,00 entspricht also einem vermehrten Grundwert in Höhe von 119%.
Der Mehwertsteueranteil aus der Handelsspanne wird wie folgt berechnet:
Mehrwertsteuer = 1.700,00 * 19% /
119% = 271,42
Der Bruttoertrag (ohne Mehrwertsteuer) beträgt somit EUR 1.428,58 und der
abzuführende Mehrwertsteueranteil EUR 271,42.
Dieser Mehrwertsteueranteil wird nun auf den Verkaufspreis bezogen.
Prozentsatz aus Brutto-Verkaufspreis = Mehrwertsteueranteil * 100 / Verkaufspreis
Prozentsatz aus Brutto-Verkaufspreis = 271,42 * 100 / 11.700,00 = 2,32% = ~ 2,3%
Infolge des neuen Gewährleistungsrechtes muss ein gewerblicher
Anbieter auch auf den Verkauf gebrauchter Produkte eine
Gewährleistung von 1 Jahr einräumen.
Folge davon ist, dass der seriöse Gebrauchtwagenhandel nicht mehr
bereit ist, ältere Fahrzeuge im unteren Preisniveau anzubieten, da
das Gewährleistungsrisiko in keinem Verhältnis zur Handelsspanne steht.
Weitere Folge davon ist, dass ältere Fahrzeuge nur noch im privaten
Handel zu finden sind.
Aus diesem Grund werden Fahrzeuge dieser Kategorie bei der Bewertung ohne
Mehrwertsteuer ausgewiesen (steuerneutral).
Die Feststellung, ob beim Wert eines Fahrzeuges volle Mehrwertsteuer,
Differenzsteuer oder keine Mehrwertsteuer enthalten ist, trifft der
zuständige Kfz-Sachverständige in seinem Gutachten.
Entsprechende Beispiele hierfür gibt es in der Rechtsprechung.
Fallbeispiele zur Erstattung von Mehrwert- / Differenzsteuer
1.) Fahrzeug wird in Fachbetrieb gegen Rechnung instand gesetzt.
a.) Reparaturschaden bei privatem Fahrzeughalter.
Die Mehrwertsteuer wird voll erstattet. Der Schaden wird von der
Versicherung "brutto" ausgeglichen.
b.) Reparaturschaden bei gewerblichen Fahrzeughalter.
Die Mehrwertsteuer wird nicht erstattet.
Der Fahrzeugschaden wird seitens der Versicherung ohne Mehrwertsteuer
reguliert (Auszahlung "netto").
Der gewerbliche Auftraggeber bezahlt in diesem Fall die Mehrwertsteuer
an den ausführenden Reparaturbetrieb.
Diese Mehwertsteuer kann der
gewerbliche Auftraggeber dann im Rahmen des Vorsteuerabzugsverfahrens
bei der Finanzbehörde geltend machen (durchlaufender Posten).
2.) Fahrzeug wird in Eigenreparatur oder nur teilweise instand gesetzt
Die Mehrwertsteuer wird erstattet, sofern sie nachweislich "anfällt".
Hier müssen entsprechende Belege beim eintrittspflichtigen Versicherer
eingereicht werden (Rechnungen für Ersatzteile, Rechnung Lackierkosten usw.).
3.) Fahrzeug wird nicht instand gesetzt
a.) Reparaturschaden (fiktive Abrechnung)
Hier wird nur der Fahrzeugschaden "netto" (ohne Mehrwertsteuer) gemäß
Gutachten erstattet.
b.) Totalschaden ohne Ersatzbeschaffung
Der Geschädigte hat nur Anspruch auf Erstattung des
Netto-Fahrzeugwertes (ohne Mehrwert- bzw. Differenzsteuer) gemäß
Gutachten.
Bei "steuerneutralen" Fahrzeugen erfolgt natürlich kein Steuerabzug.
c.) Totalschaden mit nachgewiesener Ersatzbeschaffung
Der Geschädigte hat Anspruch auf Erstattung des Brutto-Fahrzeugwertes gemäß
Gutachten (incl. enthaltener Mehrwert- bzw. Differenzsteuer).
Hierbei ist es unerheblich, ob bei dem Ersatzfahrzeug volle Mehrwertsteuer,
Differenzsteuer oder keine Mehrwerststeuer enthalten ist.
Es kommt nur darauf an, dass eine Ersatzbeschaffung tatsächlich durchgeführt wurde.